Wie fühlt sich eigentlich eine Depression an?

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Eine Depression: Jeder kann sich ungefähr etwas darunter vorstellen, aber wie es sich am eigenen Leib anfühlt, ist nochmal eine ganz andere Hausnummer… Schließlich ist es kein Schnupfen, den jeder schon mal im Leben hatte und ganz easy selbst diagnostiziert – und mit Hausmittelchen behandelt – werden kann.

Von den ersten negativen Gefühlen, die noch gar nicht richtig eingeordnet werden können, bis zur Diagnose Depression und Therapie ist es oft ein weiter Weg.  Daher möchte ich mich ganz herzlich bei Luisa danken, die uns offen und ehrlich erzählt, wie es sich anfühlt, wenn das ganze Leben aus den Fugen gerät.

Es ist ein unglaublich absurdes und irrationales Gefühl, eigentlich alle Zutaten für ein glückliches Leben beisammen zu haben, aber dennoch unfassbar unglücklich zu sein. Ich weiß nicht mehr so recht, wann es bei mir zum ersten Mal auftrat – vielleicht vor anderthalb Jahren, vielleicht vor zwei. Ich weiß nur noch, dass dieses Gefühl über mich schwappte, wie eine Welle.

Nichts mehr normal

Jeder Mensch hat gute und schlechte Tage. Mal fühlt man sich entspannt und wohl in seiner Haut, mal ist man gestresst, genervt und hat keine Lust mehr. Das ist ganz normal. Das Leben hat nun mal seine Höhen und Tiefen. Doch wenn sich plötzlich alles nur noch negativ anfühlt, man sich ständig scheinbar grundlos heulend im Bett wiederfindet und nicht weiß, was eigentlich los ist, dann ist das nicht mehr normal. Für mich jedenfalls war es das nicht.

Ich merkte, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte, als ich immer häufiger krank wurde, mich zunehmend unzufrieden fühlte und dieser komische Druck in meinem Brustkorb einfach nicht mehr verschwinden wollte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich eigentlich alles, was man halt so zum Glücklichsein braucht: meine eigene, helle und großzügige 1-Zimmer-Wohnung, einen relativ guten Job mit netten Kollegen, eine tolle Fernbeziehung. Ich war nicht übermäßig reich, aber ich konnte mir ein gutes Leben leisten. Ich machte Urlaub und verbrachte die Wochenenden damit, mit meinem Freund (und den Kameras im Gepäck) unser Bundesland zu erkunden. Wir erlebten kleine Abenteuer, gingen Essen, genossen die Zeit zu zweit. Objektiv betrachtet hätte ich wohl glücklich sein sollen. Aber irgendwie war ich das nicht. Und ich wusste selbst nicht so richtig, woran das lag.

Veränderung ohne Verbesserung

Irgendwann ertappte ich mich dabei, wie ich mich nur noch von Wochenende zu Wochenende hangelte und immer darauf wartete, dass die Tage dazwischen irgendwie vorbeigingen. Vielleicht war ich einfach nicht der Typ für eine Fernbeziehung und wäre näher bei meinem Freund und mit einem anderen Job glücklicher, dachte ich. In der Hoffnung, dass der Druck in meiner Brust, die Anspannung und meine Unzufriedenheit dadurch weggehen würden, zog ich also zu ihm und begann, in einem neuen Büro zu arbeiten. Leider aber trat genau das Gegenteil von dem ein, was ich mir von dieser Veränderung erhofft hatte.

Die Symptome

Ich wurde zunehmend unglücklicher, fühlte mich bei der Arbeit so gar nicht wohl und am Abend lag ich eigentlich nur noch erschöpft und/oder heulend auf dem Sofa herum. Meine Symptome wurden immer stärker und ich konnte mein Leben überhaupt nicht mehr genießen. Zu meinem inneren Druck gesellte sich eine immer stärker werdende Unruhe, die ich einfach nicht in Worte fassen konnte. Ich hatte täglich Rücken- und Kopfschmerzen, lief wie ein Zombie durch mein Leben und verspürte irgendwann überhaupt keine Freude und Hoffnung mehr. Ich konnte mich kaum noch konzentrieren, vergaß manchmal mitten im Satz, wovon ich gerade gesprochen hatte und war eigentlich nur noch müde und kraftlos. Im Büro unterdrückte ich – so gut es ging – meine Tränen, Zuhause aber weinte ich innerhalb weniger Tage mehr als zuvor in meinem gesamten Leben.

Spätestens als während der Arbeit meine Arme und Hände begannen, taub zu werden, wusste ich, dass es Zeit für mich war, zum Arzt zu gehen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach nach meinen Symptomen gegoogelt und war dabei auf Beiträge zum Thema Depression gestoßen. Für mich klang alles, was ich da las, sehr plausibel und ich war irgendwie froh, eine erste Erklärung für meine Beschwerden gefunden zu haben. Mich letztendlich aber dazu zu überwinden, eine für mich vollkommen fremde Hausärztin aufzusuchen (ich war ja gerade erst neu zugezogen) und mit ihr über meinen Zustand zu sprechen, fiel mir unglaublich schwer. Da ich mir allerdings sehr schlecht selbst eine Diagnose und eine Krankschreibung ausstellen konnte, blieb mir irgendwann keine andere Möglichkeit mehr. Ich wusste einfach nicht, wie ich so noch länger meinen Alltag – oder überhaupt mein Leben – bewältigen sollte.

Der Weg zum hausArzt

Tränenüberströmt saß ich dann, nur wenige Wochen, nachdem ich umgezogen war und den neuen Job begonnen hatte, in diesem fremden Arztzimmer und erläuterte meinen Zustand. Ich verließ die Praxis nicht mit einer Krankschreibung, dafür aber mit einem Folgetermin, einer Überweisung zur Psychotherapie und einem Rezept für ein Medikament, das sich später als Antidepressivum herausstellte. Zum Glück bekam ich nach ein bisschen Telefoniererei (die mich auch sehr viel Überwindung kostete) relativ zügig einen Termin zu einem Erstgespräch bei einer Therapeutin. Knapp zwei Wochen musste ich warten und diese Zeit entpuppte sich als bis dato wohl schlimmste Zeit meines Lebens. Einzig die Aussicht auf das Therapiegespräch und den Arzttermin, bei dem ich mir endlich die bitter nötige Krankschreibung holen wollte, ließ mich das alles irgendwie überstehen.

Therapie und Diagnose Depression

Bei dem vereinbarten Erstgespräch erzählte ich wieder einer fremden Frau 45 Minuten lang unter Tränen meine halbe Lebensgeschichte und wie es mir gerade ging. Ich erzählte von Stress, Selbstzweifeln und Hoffnungslosigkeit. Ich erzählte von dem Druck in meiner Brust, von der Unruhe, meiner ständigen Erschöpfung und den Schmerzen. Schließlich verließ ich den Therapieraum mit einem hellblauen Zettel auf dem stand: F32.2, schwere depressive Episode.

Die Diagnose an sich überraschte mich keinesfalls, sehr wohl jedoch das Ausmaß meiner Depression. Anfangs war ich unglaublich unsicher und wusste nicht, wie ich damit überhaupt umgehen sollte. Ich hätte mich am liebsten vergraben und niemandem davon erzählt. Oder aber, ich hätte einfach so getan, als ginge es mir super, während ich innerlich eigentlich total kaputt war.

Ein Jahr danach

Jetzt – ziemlich genau ein Jahr nachdem die Diagnose gestellt wurde – weiß ich, dass es der richtige Weg für mich war, offen über das Thema zu sprechen. Psychische Erkrankungen zählen heute noch immer – sogar selbst unter Betroffenen – als Tabu und genau das möchte ich ändern! Denn ich weiß, wie einsam und hilflos man sich (vor allem anfangs) in dieser Situation fühlen kann. Ich weiß, wie es ist, hoffnungslos zu sein und sich zu wünschen, alles würde endlich ein Ende haben. Aber ich weiß eben, nach monatelanger ambulanter Psychotherapie und einem 12-wöchigen teilstationären Klinikaufenthalt, auch, dass es Hilfe gibt! Sich diese zu suchen, braucht unglaublich viel Kraft.

Doch so anstrengend es auch sein mag, täglich gegen die Depression oder andere psychische Probleme zu kämpfen, es lohnt sich. Aufgeben ist keine Option!

Luisa ist 26, lebt in Nürnberg und schreibt auf ihrem Blog* über Themen rund um ihr Leben, einschließlich sehr persönlicher Texte rund um ihre mentale Gesundheit. 

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