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Neulich hatte ich einen echten Depri-Tag, war müde und unmotiviert. Trotzdem zwang ich mich in meinen wöchentlichen Tanzkurs, merkte aber bei jeder einzelner Schrittfolge, dass ich nicht in Form bin, mich nicht konzentrieren kann. Die Spiegel an allen Seiten des Raumes zeigten einen grobmotorischen Trampel – und mit jedem Fehler, den ich machte, fühlte ich mich unwohler und schlechter… Von Selbstliebe keine Spur!
Irgendwann fing ich an, mich vor der Gruppe zu rechtfertigen: „Ach, ich bin so unkonzentriert, ich bekomme es einfach nicht hin… Heute ist einfach nicht mein Tag.“ Meine Mitstreiterinnen lächelten mich verständnisvoll an und fühlten sich wahrscheinlich auch nicht wirklich besser…
SELBSTLIEBE IST NICHT GLEICH SELBSTVERLIEBT
Bevor ich nun aber weitererzähle, wie es mit meinem Tanzkurs-Desaster weiterging, nehme ich dich nun mit auf einen kleinen Exkurs zum Thema Selbstliebe.
Wie viel einfacher ist es, selbstkritisch zu sein? Von der Gesellschaft wird Selbstkritik weitaus besser akzeptiert als Selbstliebe, die oft als Egoismus oder gar Narzissmus verkannt wird. Ein ironischer Spruch zur nächsten Diät, wenn man einen großen Eisbecher mit Sahne in der Hand hält, verspricht sicher einige Lacher und macht sympathisch. Man ist sich gegenüber kritisch, weiß auch, dass man durchaus einige Kilos zu viel hat und nimmt es auch noch mit Humor – perfekt und unangreifbar.
SELBSTKRITIK KOMMT BESSER AN
Stelle dir nun aber die Situation ganz anders vor… Wie würdest du reagieren, wenn eine andere Person in der Eisdiele etwas in dieser Art sagen würde: „Nein, für mich heute kein Eis. Ich bin gerade so zufrieden mit meiner Figur, da verkneife ich mir die kleine, ungesunde Kalorienbombe lieber.“
Ich bin ganz ehrlich, sympathisch wäre mir das beim ersten Eindruck bestimmt nicht. Aber woran liegt das? Objektiv betrachtet, hat mich ja niemand mit dieser Aussage angegriffen, aber trotzdem ärgere ich mich, kann mir vielleicht mein Eis sogar gar nicht mehr richtig schmecken lassen…
„Nein! Wie kann man nur so selbstverliebt sein!“ So oder ähnlich würde es wahrscheinlich vielen durch den Kopf gehen. Dabei liegt diese Aversion gegen selbstzufriedene Menschen oft darin begründet, dass man selbst eben nicht zufrieden mit sich ist. Dies vor Augen geführt zu bekommen, ist natürlich nicht schön…
SELBSOPTIMIERUNG DER SCHLÜSSEL ZUR SELBSTLIEBE?
Mein Beispiel mit dem Eis war selbstverständlich etwas provokativ – die Figur ist eines der Themen, die beim Thema Selbstliebe wohl am prominentesten sind. Oberflächlich betrachtet suggerieren die Medien seit Jahrzehnten, dass ein schöner Körper der Schlüssel zu allem ist: Erfolg, Anerkennung und natürlich Selbstliebe!
Aber wie viel mehr gibt es aktuell zum Thema Selbstoptimierung zu finden? Werde produktiver, esse gesünder, treibe mehr Sport – Social Media und das ganze Web sind voll von Anleitungen zum besseren Ich…
Sollen diese dazu führen, sich nach der erfolgreichen Selbstoptimierung auch gleich mehr zu lieben? Schön wär‘s… Denn Selbstliebe hat keinesfalls nur mit optischen Kriterien zu tun, sondern geht viel tiefer…
SELBSTLIEBE BEGINNT GANZ KLEIN!
Ob du dich [wie selbstverständlich] akzeptieren und lieben kannst, hängt zu einem Großteil davon ab, wie du erzogen und aufgewachsen bist. Ich hatte wohl Glück und bin mit viel Liebe und Wertschätzung groß geworden und habe heute eine wirklich feine Beziehung zu mir. Ich weiß, wo meine Macken liegen und sehe hier und dort noch durchaus Verbesserungspotential, setze mich damit aber nicht unter Druck, weil ich mich [so wie ich bin] gut finde. Das heißt nicht, dass ich mich immer wohl fühle und alles toll finde, was ich so mache, aber ich habe kein existentielles Problem mit mir.
Wer diesen Vorteil in der Kindheit nicht hatte, der kann natürlich trotzdem [wie selbstverständlich] ein gutes Selbstwertgefühl haben, keine Frage. Aber wurde man doch eher mit Selbstzweifeln groß, kann man auch in späteren Jahren ein gutes Verhältnis zu sich selbst aufbauen. Wenn du versuchst, dich genauso zu akzeptieren, wie du bist, statt ständig nach Verbesserung oder Änderung zu streben, bist du auf jeden Fall auf dem richtigen Weg!
LIEBE JEDEN, WIE ER IST
Auch in einer Partnerschaft führt es zu nichts, wenn du versuchst dein Gegenüber zu ändern und zu verbiegen. Viel schöner ist oder wird die Beziehung, wenn du dein Gegenüber so liebst, wie es ist. Eine gewisse Weiterentwicklung, wenn diese überhaupt gewollt ist, kannst du gerne unterstützen! Aber eine fundamentale Änderung des gesamten Menschens wird keinen Beteiligten glücklich machen. Verabschiede dich aber von dem Gedanken, dass du sie/ihn mehr lieben wirst, wenn sie/er endlich den Müll runterbringt, ein paar Kilo abspeckt und auch noch die Schlager-CDs wegwirft.
DIE WICHTIGSTE BEZIEHUNG DEINES LEBENS: ZU DIR!
Genauso verhält es sich mit der Beziehung zu dir… Sei lieb zu dir und akzeptiere dich so, wie du bist. Gibt es Eigenschaften/Macken an dir, die du nicht magst, kannst du ja versuchen sie zu ändern und dich weiterentwickeln. Dies sollte aber nichts an deiner Beziehung zu dir ändern, denn du bist ja genauso liebenswert, auch mit deinen „Macken“.
DEIN WOHLFÜHL-ICH
Durch Weiterentwicklung statt angestrengter Selbstoptimierung kannst du dazu beitragen dich wohler, attraktiver oder produktiver zu fühlen. Dein Wohlfühl-Ich wird es dir sicher danken, aber an deiner Liebe zu dir selbst wird und sollte dies alles nichts verändern.
SELBSTLIEBE DURCH WERTSCHÄTZUNG
Die oben begonnene Geschichte ist nun auch ganz schnell zu Ende erzählt: Nachdem ich beim [Solo-] Vortanzen der Choreo gefühlt zum zehnten Mal den gleichen Fehler gemacht habe und am liebsten im Boden versinken wollte, passierte etwas ganz Unerwartetes: Meine Lehrerin fing vor der ganzen Gruppe aufzuzählen, was ich alles richtig gemacht habe. Welches Talent ich wohl haben müsste, wenn ich trotz einer komplett falschen Abfolge von Schritten im Takt geblieben bin. Dass ich zwar mit dem falschen Fuß angefangen habe, aber trotzdem mit dem Richtigen geendet habe. Dass dies alles ganz schön bemerkenswert wäre… Kannst du dir vorstellen, wie gut mir das in dieser Situation getan hat?
FINDE IN DEN FEHLERN DAS POSITIVE!
Ein Lob, welches ich niemals erwartet hätte und welches definitiv sehr „kreativ“ war, da es in den vielen Fehlern das Positive gesucht hat. Aber sollten wir GENAUSO nicht auch mit uns selbst umgehen? Nicht gleich alles sofort erwarten oder erreichen wollen, nicht immer nur die Fehler suchen und selbstkritisch sein? Nach einem schlechten Tag, in einer schlechten Stimmung, wenn mal wieder etwas nicht geklappt hat oder die Hose in der Umkleidekabine nicht zuging, einfach mal das Gute vor Augen führen und sich selbst loben?
Selbstliebe ist nicht immer leicht, aber es lohnt sich definitiv. Wenn du dich selbst magst, verbringst du jeden Tag mit einem Lieblingsmenschen – ist das nicht eine tolle Vorstellung?
Eine kleine Anleitung zu mehr Selbstliebe:
- Sei nicht strenger zu dir, als du es zu anderen wärst.
- Wenn du dich weiterentwickeln willst: Habe Geduld mit dir.
- Lobe dich regelmäßig.
- Feiere deine Erfolge und konzentriere dich nicht nur auf die Misserfolge.
- Sei lieb zu dir, tu‘ dir Gutes!
- Lächle dich in jedem Spiegel an – klingt vielleicht abgedroschen, wirkt aber Wunder und macht gute Laune.
Photo by Gabriel Silvério on Unsplash
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